Sexualität auch im Jenseits

AMARYLLIS

66. Bandaufnahme in Jockgrim, 31. März 1984

Frage: “Mich Interessiert das Wesen der Sexualität. Ob die Sexualität etwas rein Körperliches ist, das man nach dem Tode auf der Erde läßt, oder ob die Sexualität mit der Seele so verbunden ist, daß es mitgeht in die Geistwelt.

Ein Wesen fragt: “Die Sexualität - bleibt sie zurück, wenn ein Menschenwesen stirbt? Wird sie hinübergenommen in unsere freie Sphäre? Und ist sie überhaupt “göttlich”? Muß man sie überwinden? Entweder, indem man sie als nicht existent betrachtet, bekämpft, negiert, übersieht, oder sich in ihr auslebt, um sie als nichtig zu erkennen, als unwichtig, als nicht notwendig. Die Sexualität ist ein Ausdruck, den man ausweiten könnte genau auf das, was wir eingangs erklärt haben: Daß eine jede Erscheinungsform sich nur erleben kann in seinem Gegenpartner. Wenn wir eure Worte benützen wollten aus euren Erfahrungsbereichen, könnte man durchaus sprechen von einer Gott-Mutter und einem Gott-Vater als das Elternpaar sozusagen des Universums. Wir wissen genau, es sind natürlich - ich will nicht sagen kindliche Ausdrucksformen - aber man muß sie übersetzen in das Rein-Geistige. Aber ein Widerbild des Gott-Paares kann ja nur göttlich sein! Wie sonst?

Es ist etwas ganz anderes, zu fragen, wie soll die Sexualität ausgelebt werden? Dafür gibt es gar keine Normen. Denn diese Formen oder Sitten haben sich im Lauf der Jahrtausende ständig verändert und ändern sich wieder. Es wäre völlig verfehlt, hier ein moralisches Urteil zu fällen. Über eine Ein-Ehe zum Beispiel oder über andere Formen in anderen Völkern, die diese Bindung an einen einzigen Partner gar nicht für notwendig halten, gar nicht kennen. Das ist eine Frage, die sich einzig auf die Kulturstufe - man kann nicht einmal sagen, die “Stufe” bezieht - sondern auf eine momentane Übereinkunft eigentlich in einem engeren menschlichen Bindungsbereiche. Dieses Wort “Moral” ist eigentlich fast eine Ansichtssache, möchte ich sagen. Denn was in einem Volk als moralisch angesehen wird, wird in einem anderen Volk vollkommen abqualifiziert.

Zum Beispiel allein die Gleichberechtigung einer Frauenseele. Die stellt sich für euch überhaupt nicht zur Diskussion. wir haben euch zugehört Ihr habt vollkommen Recht. Es gab andere Zeiten und es gibt sie auch heute noch in gewissen Völkern, wo ein Frauenwesen nicht diesen Rang einnimmt, wie gerade in eurem Kulturkreise. Hier ist ein wunderbarer Aufbruch im Gange, der natürlich auch seine Auswüchse zeitigt, wie immer. Sie werden sich unter Schmerzen alle einmal sänftigen und ausgleichen. Aber diese wunderbare Frauengeneration, die sich hier emporringt - wir erleben das täglich mit im Leben mit Amaryllis zusammen - das ist für uns etwas Selbstverständliches! Wir würden sagen, es war schon längst fällig, um mit euren Worten zu reden. Und wenn eine Freundin im Berufe gesagt hat: “Ich bin überzeugt, das Pendel schlägt wieder zurück”, so hat sie Recht. Aber ein jedes Pendel schlägt auch wieder aus. Und die ethische Ebene, auf der sich die Paare verstehen wird immer angehoben, immer höher, immer edler, immer göttlicher. Daß sich nicht ein Geschlecht unterdrückt fühlt vom anderen, oder sagt “du hast es leichter als ich”, sondern sich anerkennt und liebt in der Andersartigkeit.

Es ist erwiesen, das wißt ihr selbst, daß die sanktionierten Gesetze und auch gerade die Sittengesetze der Entwickelung immer nachhinken. Nicht jede Entwickelung ist sehr positiv; es gibt auch negative. Aber alles pendelt sich immer ein, das ist ein göttliches Gesetz. Alles, was über das Ziel hinausschießt, richtet sich selbst und strebt nach dem Ausgleich, nach dem Du in der Liebe.

Es ist ein Verbrechen einer Religion, das Göttlichste, was euch Gott geschenkt hat, die Liebe auch im körperlichen Bereich, als etwas Unreines, oder etwas Unerwünschtes oder Sündiges darzustellen. Das ist lächerlich. Wir haben noch nie verstanden oder noch nie gehört aus einem Munde eines Menschen, was er genau versteht unter “Sünde”. Denn auch die Sünde ist Ansichtssache zum mindesten so, wie sie in Katalogen zusammengestellt ist: Was ist Sünde und was ist nicht Sünde. Im Endeffekt ist ein jedes Wesen eingebunden in seine Zeit und in die Sitten seiner Zeit, und es hat auch eine eigene Meinung und Stellungnahme. Diese sehr gelockerten Bindungen, die sich immer mehr durchsetzen, haben ihr Gutes und ihr Negatives, wie immer. Und wir haben gestern zu Amaryllis gesagt: Meistens bleibt ein Opfer zurück. Aber das sind alles Wachstumsschmerzen, die diese Menschen, solange sie noch auf diesem Planeten existieren können, über sich ergehen lassen müssen. Aber ein Gesetz ist im Grunde nur eine gewisse Richtschnur - Gesetze können auch geändert werden. Aber innerhalb der Zeit, in der ihr lebt, und innerhalb der Kulturform gibt es gewisse Normen, die bis zu einem gewissen Grade verbindlich sein müssen sogar. Und ein Wesen, das den Zwang von vornherein als mindernd ablehnt, ist noch sehr unreif.

Es wird eine Zeit kommen, da ihr keine Gesetze braucht, vorausgesetzt, ihr habt euch nicht vorher selbst ausgerottet oder euch selbst die Lebensgrundlage entzogen, die die Existenzmöglichkeit bedeutet für euer Leben - so wird die Zeit kommen, denn auf diese arbeitet ihr alle hin in eurem Leben, das ist dieser “Lichtweg”, von dem du gesprochen hast, daß ihr keine Gesetze braucht, keinen Sittenkodex, keine Kirche. Denn ihr seid selbst die Kirche und eure Moral. Ihr braucht diese Unterweisungen, diese Stützen, dieses Korsett nicht, sondern ihr wißt genau, wo euer Lichtweg hinzielt, und auch das Ziel am Horizont, nämlich ihr selbst zu werden im andern.

Ein Zusammensein von Menschen in der Liebe - in der Ehe oder in der Nicht-Ehe - ist allerdings sehr zu unterscheiden von einem rein sexuellen körperlichen Ausleben. So wie wir einen Liebesakt verstehen, ist die Seele sogar der primäre Teil, der Anteil nimmt an einer wunderbaren Erlösung im andern. Das, was ihr unter “Erlösung” versteht, ist ganz falsch. Ein Wesen, das sich emporgeliebt und gelitten hat, um wieder in das Engelstadium zurückzukehren, aus dem es einstens - das können wir euch nicht erklären - herausgefallen ist, wir selbst sind auch noch in diesem Stadium und warten auf unseren zweiten Flügel -

Eine weitere Frage: “Darf ich fragen: Ihr habt vorher gesagt, daß das Ziel des Lichtwegs ist die Vereinigung des Männlichen und des Weiblichen. Das heißt, daß im Ziel die Sexualität aufhört. Heißt das, daß die Sexualität ein Gradmesser auf der Entfernung von Gott ist?”

Antwort: Das wäre einseitig ausgedrückt. Die Sexualität ist eine Erscheinungsform der Liebe, auch eine Erscheinungsform der Liebe, die, wir wollen einmal sagen, unter diesem Signum des Wortes einzig zugeordnet ist diesem erdischen Dasein. Wenn wir von unserem Flügel sprechen, von unserer Sehnsucht nach dem Du, ist das Wort Sexualität überhaupt nicht existent. Und trotzdem ist es genau die Parallele, die sich der Brücke bedient des Körpers. Wer lesen kann und nach einiger Übung im Stande ist, diese schwierigen Diktate, die Lin diktiert hat, aus der Bildsprache zu übersetzen in die Praxis, wird einige Antwort erhalten. Gin hat damals diese Bildsprache nicht verstanden, sie war noch ein halbes Kind. Lin wollte sie aufklären über die Schönheit und das Edle der Liebe, auch im Körperlichen. Aber diese beiden Wesen waren sich so ähnlich, daß sie selbst, ohne es zu wissen, aber zu ahnen, in Liebe gefallen sind. Es war ihr Tod, in der damaligen Zeit. Und Lin hat ein wunderschönes Gedicht darüber gesprochen. Er hat gesagt, ungefähr dem Sinn nach:

Ich selbst habe nie die Mohnfelder betreten.
Ich bin diese Brücke nie abgegangen.
Ich bin geblieben auf einer Insel
in einer gläsernen Kugel.
Eine Insel aus abgeschnittenen Palmblättern.

Aber ich weiß,
es gibt keine Blätter
ohne eine Wurzel.
Ein jeder Baum braucht eine Krone.
Ich habe nur in einer Gläsernen Kugel gelebt.

Aber wer sich dem Leben nicht stellt,
ist tot.

Wenn ihr als Mensch geschaffen seid, und alle diese Merkmale an euch tragt der Geschlechtlichkeit, so ist sie göttlich. Und was göttlich ist, ist nicht schlecht. Der Gebrauch, den ihr von diesen Möglichkeiten macht ist einerseits einer zeitgebundenen Sitte unterworfen, die oft keineswegs übereinstimmt mit den Gebräuchen. Hier ist oft sehr viel Lüge mit im Spiel, Blendung, die gar nicht sein bräuchte, wenn man annehmen würde, was Gott euch geschenkt hat: Die Liebe auch zu vollziehen in einem körperlichen Liebesakt. Das ist das Heiligste, was Gott euch zur Erlösung vorausschicken kann, bis ihr einmal diese Bestätigung der Liebe im körperlichen Bereich gar nicht mehr braucht. Sondern euch mit den Augen liebt, mit der Seele, wenn ihr ein Zusammenklang im Einklang seid im Jubellied der Liebe. Das ist das Ziel am Horizont, das ihr ansteuert.

Diese beiden Wesen Aljaná und jetzt wollen wir einmal Aljána sagen - ein Wort, das im Wortbild gleich aussieht, nur die Akzente sind verschieden - Aljaná und Aljána ist das ideale Paar. Und wenn Amaryllis einmal das Ende ihrer Sehnsucht erreicht hat, das sie uns täglich sagt, nämlich sterben zu dürfen, dann wird sie ein Engel werden mit Aljaná zusammen. Und trotzdem sind diese Wesen schon mehrfach in Erdenleben verbunden gewesen in Liebe, auch in der Ehe, und haben sich nicht erkannt. Denn sie hatten beide noch nicht die Reinheit und Lauterkeit erreicht, die eine Seele erringen muß, um so fühlig und so feinnervig zu werden, so dem Schweben nahe, daß eine solche Getrennt-Seele begnadet wird, ihren Flügel erkennen zu dürfen. Diesen beiden Wesen wurde das geschenkt, obwohl sie zwei verschiedenen Daseinsformen angehören, und in diesem Punkte setzt eine große Gefahr ein: Daß auch ein Freiwesen und eine menschlich gebundene Seele von der Flamme der karmatischen Liebe ergriffen werden. Und gerade das müssen diese beiden Wesen lernen: abzuwarten, sich zu zügeln, bis der Moment kommt, da ein Menschenwesen entbunden wird in sein wahres Leben in Gott.

Aber dazu müssen wir noch eines hinzusetzen: zwischen diesem Moment liegt für beide Teile die Vermählung an das Absolute. Amaryllis hat sich anverlobt ihr würdet sagen “Christus”, der männlichen Göttlichkeit, und Aljaná ist eingegangen in den Sternenmantel der “Gottin”, wie wir oft im Bilde sagen. Und erst die völlige Auflösung im absoluten Nichtsein nimmt den Schleier von deinen Augen, der dir verhüllt deinen engelischen Spiegel.