103. Bandaufnahme in Ravensburg, am 20. Dezember 1989
Frage: Ich bin ein Suchender und versuche Antworten zu finden auf verschiedene Fragen. Beim Thema “Religion” ist mir der Aspekt von Jesus Christus interessant - Wer war Jesus Christus wirklich? Ich denke, es ist ein sehr verschwommenes Bild, das die Kirchen den Menschen übermitteln. Was heißt zum Beispiel “Erlöser” für die Menschen?
Ja. Dieses historische Element ist immer im Vererben eigentlich der einzelnen Texte verschwommen. Denn ein Religionsstifter, wenn wir so sagen wollen, bewegt sich in der geistigen Aussage, die verpackt ist oder eingeformt ist in das Wort und abhängig auch vom vermittelnden Interpreten - man kann ein Wort auch falsch verstehen, man kann es verfälschen und korrigieren, bewußt oder unbewußt, man kann es mißverstehen. Dieses Wesen, das einen solchen Um- und Aufbruch gestaltet hat, ist eine - wir haben gelesen in einem Buch “eine singuläre Erscheinung”. (C.G. Jung “Welt der Psyche”). Das ist insofern zu korrigieren, denn ein jedes Wesen ist eine “singuläre” Erscheinung, ein Unikat. Aber in den Wellenbewegungen der Geschichte eures Planeten tauchen immer wieder gewisse Bekrönungen auf, die aus ihrer Zeit heraus versuchen, neue Wellen in Bewegung zu setzen, alte Vorstellungen zu korrigieren, und ein Verbindungsglied darstellen zwischen der geistigen Feinwelt und den inkarnierten Seelen auf diesem Planeten. Ja - so ist es.
Ein menschgeborenes Geschöpf ist immer göttlich, auch in den Erscheinungsformen, die euch als “unnormal” entgegentreten zum Beispiel. Ein Sendbote aus der geistigen Welt ist in seinem Auftreten genau wie ihr selbst ein Wollendes, ein Gezieltes, das dieses Leben auf sich nimmt, um zu versuchen, aus der Feinheit, aus der er stammt, eine Leuchtspur zu legen, um im Verkarsteten oder im Eingedickten einer bestehenden Religion wieder ein Fließen hervorzurufen, ein fluideres Betrachten des Göttlichen aufzurufen im Bewußtsein wenigstens einer Auswahl von Genossen.
Ein Sich-Einsenken eines hohen Geistes in einen Körper ist ein Opfer und ein Faktor des Ungewissen. Denn die Geburt allein ist nicht Garant für das Blühfeld, in dem die Saat aufgehen könnte, die einer gewissen Zeitgeneration übermittelt werden möchte, oder sollte. Diese Inkarnation, über die unsere Schwester (Nina) so nachdenkt, ist ein Sich-Ausliefern eines geistigen Wesens in ein Stadium des Verdunkeltseins, wenn wir so wollen. Aber was ein jedes Wesen mitbringt, ist die Lauterkeit eines Willens und der Wille zur Lauterkeit. Ob das Ziel erreicht werden wird, eines “Messias” zum Beispiel, wie ihr es nennt, durchzubrechen in das Bewußtsein seiner Mitmenschen, ist nie garantiert. Es sind viele Messiase geboren worden, die unerkannt geblieben sind, oder, noch mehr, die umgebracht worden sind, weil die Lehre, die sie überbringen wollten, unangenehm war einer Priesterschaft, die eingeschworen war auf ihre Texte, auf ihre Riten, auf ihre Opferriten, und nicht gewillt war, neue Texte anzunehmen oder aufzunehmen. Stellt euch vor, es käme heute ein Wesen in euren Kulturraum und würde sagen: “Ich bin ein Bote Gottes und habe euch eine wunderbare Botschaft zu überbringen” - was würde geschehen? Eure “Medien” wie ihr sagt - nicht dieses Medium, sondern die Medienträger eurer Technik, würden sich überschlagen und würden zerreden. Und eure Priester, dessen sind wir gewiß, würden sich berufen auf ihr Heiliges Buch, das ewig und einzig und unumstößlich die Wahrheit in sich birgt.
So ist also ein Messias wie euer Jesus Christus wie ihr sagt, ein Aufsteigen einer neuen Auffassung des Göttlichen. Und für ein Publikum, das sich aufschließt für diese neue Lehre, ist ein solches Wesen tatsächlich eine Art eines “Lösers” wollen wir einmal sagen. Eines Lösers von Bindungen an überkommene religiöse Auffassungen, die in fast allen Religionen sich im Laufe der Zeit entwickeln zu Gewohnheiten oder gewissen leblosen Formeln, die eingebüßt haben die Urwüchsigkeit, das Urfeuer, aus dem sie einstens hervorgebrochen sind.
Dieses Wort “Erlösung” ist absolut verfälscht in eurer Lehre. Denn eine Erlösung ist einem Wesen nur möglich durch ein Gelöstwerden durch eine unmittelbare göttliche Auftauung oder durch ein Erlebnis das eine Seele aufwühlt in den Grundfesten ihrer Struktur. So wie unsere Amaryllis gesagt hat: “Ich bin ein anderer Mensch geworden”. Natürlich ist Amaryllis kein anderer Mensch geworden. Aber es sind in ihrer Seelenlandschaft Aspekte aufgerufen worden, die sie selbst nicht kannte, und die dieses Wesen zutiefst verwundet haben.
Eine religiöse Aussage wie eure Bibel hat selbstverständlich unter Umständen die Kraft, einen solchen Auslöser darzustellen in einem Menschenwesen, das, wie du sagst, ein “Suchender” ist, eine Seele auf der Wanderschaft zu sich selbst. Das ist eigentlich die Aufgabe eines jeden Menschen, zu versuchen, den Gottkern in sich aufleuchten zu lassen in der ursprünglichen Schönheit und Klarheit. Du sagst mit Recht, “ich bin ein Suchender”. Aber ein Suchender ist bereits einer, der den Knoten in der Hand hat, ihn zu lösen, ihn zu ent-wickeln zu einem glatten Seidenfaden. Du bist klug genug, das wissen wir, diese Worte in die Bilder zu übersetzen, die damit gemeint sind. Ein “Seidenfaden”, der sich verschlungen hat, der sich verknotet hat, der sich verknüpft hat und vielleicht unlösbar scheint, und in ein Stadium gerät des Gelockertseins, so daß diese Schlingungen aufgelöst werden können in ein feines, edles, in ein geistiges Band. Das abgelegt hat alle Rauhheiten, und eine unmittelbare Verbindung möglicherweise herstellt zu deiner Idee, die doch ruht in diesem Ur-Sein, in diesem ewigen pulsierenden Gleichgewicht des Universums.
Du mußt dich betrachten als ein Ausgeworfenes aus dieser Quelle, als ein Abgestammtes aus diesem Urstamm, oder ein Blatt an einem Zweig an einem Baum. Dieser Baum wird in vielen Religionen als das Ur-Wachsende symbolisiert, der in seinen Wurzeln im unbekannten Urgrund seine Abstammung findet und in seinen Blüten treibt die eigene Erfüllung.
Ein “Erlöser” ist ein Bild, das wir akzeptieren können, aber in einer anderen Bewußtseinslage. Ein Erlöser ist ein Auslöser deiner eigenen Kraft und Wurzel, ist ein Aufruf an den Samen, aus dem du selbst stammst. Und so sind auch heilige Bücher absolut Auslöser, unter Umständen, in dem Moment, da du dich in den Worten einer Heiligen Schrift selbst erkennen kannst, als ein JA, das bin ich! Ja, das kann ich nachvollziehen! Aber es wäre völlig verfehlt, ein Buch oder eine Schrift, einen Satz, ein Gesetz, ein Glaubensbekenntnis, zu übernehmen, das dich nicht selbst spiegelt. Alles, was du als “Glauben” ansiehst, ist ein inneres Verwurzeltsein deiner Idee im Baum deiner eigenen Existenz - so kann man vielleicht sagen. Und was du übernehmen kannst aus einem Glaubensbekenntnis, ist für dich Humus, ist für dich ein Wachstumsmittel. Aber alles was du ablehnst oder als Ballast betrachtest, ist für dich wertlos.
So ist für dich alles ein “Erlöser”, in dem du dich angesprochen fühlst als ein Individuum, als ein Unikat, das ohne Zwang, ohne Erklärung fühlt, ist, weiß: Das bin ich. Dieses Wort, das irgendein Prophet gesprochen hat, das hätte ich gesprochen haben können. Das bin ich in meiner Auffassung, in meiner Färbung, in meinem Farbenspiel, im Duft meiner eigenen Blüte.
Die Lösung der Knoten, im Bild gesprochen, sind nichts anderes als ein Du-selbst-Werden, als ein Verfolgen deines Lebensfadens zu deinem eigenen Horizont, zu deinem eigenen Ziel. Der Auslösungspunkt, der dich aktiviert, aufzubrechen aus deinem Ackerfeld, ist nicht gebunden unbedingt an einen Propheten oder an einen Messias. Es sind oft ganz andere geistige Impfpunkte, die im Fall von Amaryllis zum Beispiel eine Direktverbindung herstellen können zu den geistigen Fluiden, auf die du selbst ansprichst.
Du hast gesagt, ich glaube, diese Geistlehrer, die aus dir sprechen, die sind in ihrer Menge oder in ihrer Gesamtheit du selbst. Das ist eine vollkommen richtige Interpretation. Dieses Wesen kann nur ausdrücken, oder will nur ausdrücken und sprechen, was es selbst ist. In einer dieser letzten Seiten haben wir gesagt: “Die Zielschaft der Unberufenen gleitet an diesem Wesen vorbei, ohne zu treffen in dieses Zentrum. Aber was dieses Wesen ausspricht, ist der eigene Wille: Das möchte ich sagen, denn ich weiß, ich kann das akzeptieren als mein Spiegelbild. Wir sprachen von einer Lichtschranke, die nur durchläßt, was dieses Wesen ist in seiner heiligsten inneren Anlage, und dieses Wesen ist unansprechbar durch Wesen aus unserer Welt in dem Moment, da die Bilder, die aufgerufen werden, nicht selbst ruhen in diesem bildbaren Urgrund dieses Wesens. Wenn du verstehst, was wir ungefähr dir sagen wollen.
In dem Moment, da dieses Wesen dieses “Christus” in dir aufblühen läßt deine eigene Blüte, ist dieses Wesen auch dein Erlöser. Aber es wäre zu einfach, zu bequem, sich zu verlassen auf ein prophetisches Leben, das durch seinen Tod wohl aufgerufen hat, aufmerksam gemacht hat. Aber dieses Aufgelöstwerden deines Inkernes ist dein eigenes Werk, zu dem du alle Hilfsmittel benützen darfst, die dir geboten werden, die dir wertvoll erscheinen, die du durch Studium oder durch inneres Erleben, durch Meditation, auch durch andere Heilige Schriften anderer Völker übersetzen kannst in dein eigenes Lebensbuch - so könnte man vielleicht sagen. Diese Erlösung ist euch nicht geschenkt. Sie ist euch Aufgabe und ist euch ein großes Werk, das euer ganzes Leben bis zu diesem Übertritt in eine andere Bewußtseinsebene ausfüllt und beschäftigt.
Amaryllis zum Beispiel ist eigentlich in jedem Moment ihres Daseins ein Lernendes, ein Wollendes und ein Sich-Bemühendes, ein Strahlendes im Willen. Und wir sind überzeugt, so lautere Wesen wie ihr, die doch ringen, die sich doch interessieren, oder die skeptisch sind - die werden mit Sicherheit auch eines Tages in dieses Stadium des Lösens geraten, daß sie sich fallenlassen dürfen in das Bewußtsein
ICH - ich bin - ich bin ein Wort
das Gott aus mir gerufen hat. Wir sind angewiesen auf die Interpretationsmöglichkeiten eurer Sprache. Amaryllis ist immer gehemmt, das Wort GOTT auszusprechen, das unter Umständen auch als Ausruhepunkt benützt wird für eigene Bequemlichkeit. Aber ein Menschenwesen im Stadium der Sprache - es gibt auch andere Stadien - ist auch nicht nur gehalten, sondern es ist im - in der Entwickelung eines Tages in einem Stadium, da es die Worte nicht mehr braucht, und trotzdem weiß “ich bin”, ohne dieses “ich bin” in einem Denkvorgang einzubetten. Amaryllis sagt oft, “Wenn die Menschen nicht so viel sprechen würden über ihren Glauben, sondern ihn leben würden, bräuchten wir eigentlich diese Verkündigungen gar nicht. Das ist richtig, aber es ist in eurer Welt eine Utopie für die Allgemeinheit. Die meisten Menschen - und das ist ganz natürlich - sind gesellig. Sie sind erfüllt von der Liebe zu ihren Mitmenschen oder auch von der Ablehnung. Und es gibt “Typen”, wollen wir einmal sagen, die sich danach sehnen, sich auszusprechen mit einem Geschwister über die Probleme, über die geistigen Unstimmigkeiten, und sich vielleicht darin klären können, die darin erlöst werden zu ihrem eigenen Gesetz, zu ihrem In-Kern, zu ihrem Wesens-Sein.
Deshalb ist es durchaus logisch - nicht “logisch”, Amaryllis - durchaus rechtens und verständlich, daß die Menschen sich an gewissen Orten, zum Beispiel in einer Kirche, oder zu einer Meditationsgruppe treffen, um im Schulterschluß mit Geschwistern auch eine gewisse Sicherheit zu erhalten, nicht allein zu sein.