Erleuchtung bei Zen

AMARYLLIS

108. Bandaufnahme in Ravensburg, 12. Oktober 90

Frage zu: Zen-Buddhismus, Erleuchtung, mystisches Erleben

Dazu möchten wir Folgendes bemerken: Ein echtes mystisches Erlebnis ist niemals zu erzwingen. Es ist ein Gnadengeschenk aus der geistigen Welt, und selbstverständlich auch durch Meditation auszureifen oder zu aktivieren. Das ist richtig. Aber - deine Frage haben wir so verstanden, ob die sogenannten Mystiker in euren geschichtlichen Räumen oder in eurer zivilisatorischen Kulturlandschaft in Parallele gesetzt werden können zu diesen Praktiken einer anderen Religion, oder einer anderen Art des Sich-Selbst-Findens. Wenn wir dich falsch verstanden haben, bitten wir dich, uns auf das richtige Geleise zu heben.

Diese Praktiken, die du angesprochen hast, in einer anderen geistigen Haltung, und die, wie wir verfolgen durften, allerdings in eurer Zeit auch hier in eurem Heimatlande, wie ihr sagt, einen Nährboden antreffen - diese Praktiken sind selbstverständlich eine sehr griffige Ausgangsbasis, um tiefe Erlebnisse auszulösen. Aber nimm dein Mütterlein an! In ihrem Leben hat es nie eine Praktik gegeben, hat es nie eine religiöse Versenkungs-Methode gegeben, nicht einmal eine ausgesprochene Hinneigung zu einer Konfession oder zu einer religiösen Auffassung. Vielleicht ist dein Mütterlein einverstanden, ganz behutsam und ganz delikat zu versuchen, ein absolut mystisches Erlebnis zu umreißen, das dieses Wesen - und das ist wahr - in seinen Grundfesten nicht nur erschüttert hat, sondern auch - “Wandeln” ist - doch, es ist ein richtiger Ausdruck! Man kann nur etwas wandeln, das im Grundprinzip bereits vorhanden ist, nur vielleicht nicht erkannt, nicht praktiziert, nicht aufgerufen worden ist. Das ist richtig.

Ein mystisches Erlebnis ist ein Aufgelöst-Werden einer Seele in ihre Grundsubstanzen sozusagen, ist ein Abtöten im Moment des Bewußtseins - des Tagesbewußtseins wollen wir einmal sagen, ist ein Sich-Vermählen dem Absoluten. Wir wissen, daß du solche Ausdrucksformen verstehst, oder umsetzen kannst in die Denkgewohnheiten eurer Welt und Zivilisation. Und im übrigen kannst du uns jederzeit rückfragen, wenn du eine Formulierung in deinem Bezugsfeld nicht ausloten kannst. Jederzeit!

Selbstverständlich sind auch diese Worte “Mystik, mystisches Erlebnis” sehr schillernd. Sie sind zwar bis zu einem gewissen Grade in euren Lexika und in euren Nachschlagewerken oder religiösen Schriften auch, theologischen oder philosophischen, umrissen. Aber ein jedes Wesen hat auch seine eigenen Systeme in Bezug auf einen Ausdruck, auf ein Wort, auf eine Umschreibung. Und das ist auch die große Schwierigkeit unter den Menschen überhaupt, daß ein Wort zwar vom Sprecher eine gewisse Fracht trägt seiner eigenen - seines Willens, oder seines Versuches, eine Brücke herzustellen zu einem Gesprächspartner. Aber die Gefahr besteht immer, daß dieser Partner, dieser Gegenpart, unter einem Begriff eine andere Farbe versteht, ein anderes Dokument erblickt. Und so sind oft die großen Mißverständnisse unter den Menschen an sich begründet in den Ausgangspunkten, die im Gespräch oder in der Unterhaltung verschiedene Spannungen beobachten.

Dieses Wort “Erleuchtung” ist natürlich auch eine Übereinkunft, was heißt “erleuchten”? Was erleuchtet wird, ist ja ein Gegenstand, der empfängt aus einer unbekannten Lichtquelle die Strahlung oder das Erhelltwerden. Die tiefste Erleuchtung ist ein Verwiesenwerden einzig auf ein Passives, wie du sagst, ein scheinbar Sich-Abtöten in den Bewußtseinsströmungen, und das ist für gewisse Menschentypen hervorragend schwierig zu erringen! Auch dein Mütterlein hatte große Schwierigkeiten, die überaktiven Strömungen eines Gehirnes im Bereich des Bewußten zu beruhigen, auszuschalten, zu dämpfen oder schließlich sogar auszulöschen. Selbst jetzt in diesem Moment, da dieses Medium spricht, ist es uns noch nicht gelungen, vollständig auszumerzen die Zentren, die das Denken, das bewußte Denken, aktivieren. natürlich ist dieses Wesen durch eure Aktivitäten im praktischen Leben etwas erregt - das ist verständlich. Aber wir wollen trotzdem versuchen, eine Seele so weit zu “narkotisieren”, wollen wir einmal sagen, daß sie fähig ist, dieses Denkzentrum kurzfristig einmal abzuschalten.

Eine “Erhellung”, sagst du, eine “Erleuchtung” Eine Erleuchtung ist also ein DU, denn ein Licht - wir müssen mit menschlichen Begriffen uns ausdrücken - ein Licht, das erleuchtet, trifft ja auf einen Fremdkörper, der aber, zum mindesten partiell oder punktuell, gewisse Wellen vorfindet, um dieses Licht überhaupt aufprallen zu lassen. Denn eine Lichtwelle ist immer angewiesen auf ein Echo in einer anderen Form, aber in einer ähnlichen Schwingungsebene. Es gibt genügend Wellen, die an dir vorbei-gleiten, ohne daß du sie bemerkst, zum mindesten nicht in deinem Bewußtsein aufnimmst. Ein Erleuchtetsein also ist ein Kommunizieren mit dir selbst, mit den geistigen Schwingungsfeldern, die dir gemäß sind, die du dir schon errungen hast, oder die dir geschenkt worden sind durch Gnade. Die aber immer die Möglichkeit haben müssen, in dir aufzubrechen. Es ist ein ewiges Zwiegespräch eigentlich mit deinen universalen Geschwistern, mit allen Vernetzungen, die die Möglichkeit haben, durch dich zum Klingen zu bringen, zum Leuchten angeregt zu werden. Es gibt viele Bilder, die das ausdrücken.