Aus: 103. Bandaufnahme in Ravensburg, am 20. Dezember 1989
Amaryllis geht zuweilen in die Kirche, obwohl sie eigentlich in der Verkündigung des Wortes keine Nahrung findet. Sie ist vielleicht erbaut von der Schönheit einer Predigt, das wollen wir durchaus sagen, aber sie ist immer wieder düpiert und sogar manchmal etwas frustriert über diese Ausschließlichkeit dieser christlichen Lehre, die sich immer noch darauf beruft, berufen muß, in dem Stadium, in dem sie sich befindet, daß einzig diese Verkünder dieser Lehre für immer und ewig ein Fixum darstellt, an dem vorbei keine Erlösung möglich ist. Das ist eine absolute Arroganz der christlichen Kirche und eine große Gefahr. Denn wir haben gehört, daß es so viele wertvolle Menschen gibt - durchaus nicht nur gleichgültige, sondern auch Suchende wie du - die zum mindesten der Organisation dieser Kirche den Rücken wenden. Und andere Wege suchen, die unter Umständen sogar die gleichen sind. Aber diese Menschen wehren sich gegen diesen Alleinanspruch und auch gegen diese Entmündigung eines Pioniers, der auf eigenen Wegen seinen eigenen Spiegelpunkt ergründen möchte.
Eure Zeit ist in der Art sehr tolerant. Es gab auch andere Zeiten, das haben wir gehört und das wissen wir auch, in denen Menschen, die so frei reden wie dieses Medium zum Beispiel, oder wie ihr, verketzert worden sind, wie wir gehört haben, oder zur Rechenschaft gezogen worden sind von den Schergen in eurer Kirche, und unter Umständen verbrannt worden sind, gefoltert worden sind, vergewaltigt worden sind, ein Glaubensbekenntnis abzulegen, um unter Umständen auch eine Lüge auszusprechen. Einen Glauben bekennt man nicht. Das sind ganz falsche Ausgangspunkte. Ein Wesen, das heimgekehrt ist zu sich selbst, glaubt nicht. Es ist. Und das ist auch in der Meditation unter Umständen ein wunderbares Erlebnis, alle Brücken abzubrechen, die nach außen führen, um in sich selbst zurückzukehren zu seinem eingeborenen Ich, das sich in diesem Fall selbst erlöst zu dir. Das keine Bilder mehr benötigt, keine Verse, keine Heiligen Bücher. Sondern das ruht in sich, selig, für einen Moment. Um wieder aufzuwachen in ein anderes Stadium des Eigenlebens, das in eurem Stadium des inkarnierten Wesens Forderungen an dich stellt. Auch ungeliebte unter Umständen.
Dieses Austarieren der Pflichten - der äußeren Pflichten, die ihre Ansprüche an dich stellen dürfen, und dieses Sich-Zurückziehen in dein eigenes Heiligtum, in deine Kirche, die in dir selbst ruht, das ist das Kunstwerk deines Lebens und ein wunderbares Musizieren auf der eigenen Saite, auf der du tanzest, haben wir schon gesprochen, auf der du singst.
Es ist falsch, diese praktischen Dinge des Lebens zu verachten. Es gibt selbstverständlich gewisse Typen, wollen wir einmal sagen, im planetarischen Ackerfeld, die geschaffen sind, mehr der geistigen Schwingung zu leben, als den praktischen Dingen. Und man sollte diese Wesen gewähren lassen. Sie sind oft in klösterlichen Gemeinschaften verbunden. Aber auch ein Menschenwesen im profanen Bereiche kann in sich selbst im klösterlichen Leben geborgen sein. Das schließt sich nicht aus. Es ist ein Gottesdienst des Lebens eigentlich. Es ist ein Tun aus einer geistigen Zelle des Priestertums oder des klösterlichen Gerufenseins, und ist eine Selbstdarstellung dieses Wesens, das in diesem Niemandsland eigentlich wurzelt zwischen den geistigen und den materiell-geistigen Welten.
Unsere Ami ist manchmal sehr ungehalten, hier noch leben zu müssen. Wir haben eigentlich mit Bedenken einen Brief gelesen, den sie geschrieben hat an eine Freundin, des Inhaltes, “man hätte mich sollen sterben lassen, als es Zeit war...” (*) Amaryllis - solche Gedanken sind zwar verständlich. Aber nun bist du eben zurückgekehrt in dieses inkarnierte Stadium, und solltest nicht immer trauern. Denn eines ist dir gewiß: Der Übertritt in deine geistige Heimat. Und eigentlich solltest du doch dankbar sein in dieser jetzigen letzten Phase deines Lebens, ein Stoma darzustellen zwischen den Welten und die Möglichkeit zu haben, nach deinem Willen dich zu verbinden den geistigen Strömungen, die dich zurückwerfen dürfen als dein Spiegel. Und auch dankbar dafür, daß du Geschwister findest, die durch dich vielleicht neue Felder erschlossen bekommen, neue Lichtpunkte erfahren dürfen, um ihren eigenen Weg zu illuminieren, um ihre eigene Sternenbahn vielleicht etwas leichter schweben zu dürfen durch Gespräche mit dir, und durch Gespräche mit uns.
Selbstverständlich ist das, was wir dir sagen, lieber Freund, für dich nicht verbindlich! Aber wir haben schon erlebt, daß sehr tiefe Menschen gesprochen haben “Das war eine Sternstunde für mich, so etwas mitzuerleben. Und ich habe jetzt solchen Mut empfangen, mein eigenes In-Sein zu akzeptieren, zu versuchen, mich selbst zu finden in mir, und dadurch auch in dem Umkreis, in dem ich leben darf, oder muß. Amaryllis sagt, es ist merkwürdig, wie die Menschen mir gegenüber sich öffnen. Das ist nicht merkwürdig, Amaryllis. Es ist ein Echo, das du erfährst. Du selbst gibst doch auch deine Freiheit preis. Versuchst, zu leuchten in deinem winzigen Umkreis, der dir geschenkt, und der deine Pflicht darstellt. So ist auch dieser Abend mit deinen Geschwistern für dich ein Geschenk, und für uns ein wunderbares Bestätigtsein, daß die Bemühungen der geistigen Welt nicht ein Versanden sind, oder ein Versickern im Fruchtlosen. Sondern immer wieder eine Krönung erfahren dürfen durch eure Liebe und Zuneigung. Oder zum mindesten durch euer Interesse. Ein jedes Wesen hat die innere Freiheit, abzulehnen - “abzuschmettern”, hat Amaryllis gerade sagen wollen - das ist etwas streng ausgedrückt.
Aber es gibt gerade in den christlichen Kreisen außerordentlich selbstische Typen, die aus welchen Gründen auch immer von vornherein - “abschmettern” darfst du jetzt sagen, was nicht in das System ihrer Glaubensoffenbarungen paßt. Sie bedenken nicht, daß jedes Geschriebene, jeder geschriebene Text, die Interpretation eines Menschen ist, der damit auch sich selbst ausspricht. Absolut! So wie Amaryllis nur ausspricht, das was sie selbst in ihrem innersten Kern bejahen kann. Selbst dann, wenn sie es im Moment nicht versteht, oder zweifelt auch. Das muß so sein! Eine jede Kompaßnadel ist gehalten, immer wieder sich auszurichten auf ihren eigenen Pol. Und der ist in jedem Menschenkind eben der eigene Pol, und nicht übertragbar, und nicht ansteuerbar durch einen anderen Magnetismus. Das ist ganz logisch. Aber unangenehm für gewisse Priesterschaften, die sich - eigentlich müssen - halten an die Vorschriften ihrer Kirchenleitung. Da sie sonst unter Umständen ihres Amtes verlustig gehen. Es ist ein schwieriger Beruf, ein Priester zu sein für ein selbständig denkendes Menschenkind, das unter Umständen zweifelt an den Texten, die es interpretieren muß. Und auch unter Umständen einen schwierigen Balanceakt ausführen muß, um sich nicht vor sich selbst als unglaubwürdig zu empfinden. Ein schwieriger Beruf... Ein Opfergang für einen ernsten Menschen... Ja -