Mitte der Stille

AMARYLLIS

22.3.1986

Mitte der Stille

Dieser Traum, Amaryllis deines Mitternachtssängers, trägt für dich zugleich Gin, Nabatai, Nixe, Mirjam und Dayana im Tenor. Auf deinem Wege in der unbekannten Stadt Amaryllis in der Trauer des siebten Tages ohne die geistige Kommunion mit Hilfe eines eingesetzten namentragenden Bevollmächtigten in einer adressierten, nominierten und ortsgebundenen Klagemauer? fiel dir auf der geschlossene unbekannte Urtempel an der Straße des Hauptverkehrs. Das war die Herzkammer urbis et orbis im Ring deiner Stadt. Dieses Bild trägst du seit deinem Traume bewahrt im Magischen Auge. Aiwan nennt das Heiligtum der Pinie im Ödland

 

Mitte der Stille

23.3.86

Warum, Marmorbild im Park, wandelst du nicht?
Warum, Altar im Kreuze der Straßen,
neigt sich kein Arcus zum Kuß im Spiegel?
Die Porta hat die Lippen geschlossen,
aber Gold trug die Stirn des Tempels der Mitte.
Im Scheitel der Kurve ruhte die siebte Antwort.

Ich erinnere mich: Aus dem Schatten löste sich
ein verlorener Name,
und aus der Farbe Wind sprach dein rotes Segel.
Wo die Brücken sich küssen im Augen-Blick
erkennt sich die Stille im achten Ton.
Ich bin ein Tempel der Stille,
aber die Straßen kreuzen sich durch meine Stirn.

Ich bin gefangen im Netz der Tiefenmutter
und bin gebunden in die Tönung Aquamarin.
Um Mitternacht tauche ich aus dem Spiegel
und lausche dem Hauch der Krinaia,
und friere als Eisblume im Vulkan.
Ich darf nicht brennen im Munde des Kammertons.

Ich weiß, Marmorbilder stehen in der Zeit verankert,
und ich weiß, die Weiher sind Kinder des Meeres.
Man hat mich gelehrt, daß die Agaven
nur einmal blühen, ehe sie sterben,
und daß die Pinien im Ödland Mandeln tragen
im Spiegel der Wandlung.
Wo sich die Straßen kreuzen,
wird die Stille erlöst.

Amen
Aiwan

24.3.86

Um die Stunde des stillen Gebetes einer Kammer,
die ihren Ton vernimmt aus der Farbe Wind,
ringt sich aus der eigenen Verdichtung die Bedeutung
und aus dem Marmorbild die steingewordene Idee.
Ich bin ein Wort und trage den Sinn auf meiner Mitte.
Ich bin eine Nennung aus Seinem Mund.
Als ich Stein wurde, erblühte die Agave auf dem Tor,
und als ich eine Amaryllis wurde,
vergab ich meine Farbe Rot an die Stille.
In meiner Stadt kreuzen sich die Wege
und treffen sich im Spiegel meiner Stirn.
Was ich spiegele, ruht im
Sinn des Einhorns.

Amen
Aradura

 

Erklärung zu:

„Mitte der Stille“

Ein schwieriger Text - sagst du? Du hast ihn doch selbst geschrieben. Laß doch das Marmorbild sprechen, das im Park die eigene Definition gibt seiner Weigerung, das gewußte Ja-Wort im Roten Ton auszusprechen. Wir werden ganz genau beleuchten, was die Poesie verhüllt im Angedeuteten.

Die Poesie sagt:
“Aus dem Schatten trat im Kreuzungspunkt des Erkennens mein DU. Und in der vergessenen Landschaft wurzelt die Agave. Was sagt Bar Yehudi dazu?

Meine Erklärung ist so kurz wie einleuchtend: Eine Seele, die zum mindesten glaubt, ihr Pendant zum Ganzen erkannt oder gefühlt zu haben, ist in ihrer irdischen Gefangenschaft einzig verwiesen auf die Bewältigung der anstehenden Aufgaben in ihrem Tatbereich der sogenannten Gegenwart oder ihrer adamischen Handlungsfreiheit während der gewährten erdischen Inkarnation. Im Erfüllen dieser profanen Ansprüche ruht zugleich die Versicherung, in jeder Form den Sinn des eigenen Inseins darzustellen. Also entbindet auch das Refugium in die mitternächtliche Stille zwischen den Zeiten nicht von der Pflicht einer täglichen Konfrontation mit dem Lärm des Jahrmarkts.

Von der Agave ist gesagt, daß dieses symbolische spröde Gewächs im Blühen seinen Tod verkündet. In diesem Gleichnis beschlossen blüht zugleich die Erlösung der Sandgeborenen in eine windfarbene Welle. Mit “windfarben” umschreibe ich ein unbekanntes, unergründliches, ungedachtes Selbst-Sein in der eigenen Idee.

Gute Nacht!
Dai

Anm.:
Die Erklärung der Geistlehrer zu „Mitte der Stille“ erfolge erst 4 Jahre später in Buch 5