6.11.1983
Gallus lehrt über die Karmatische Liebe
Eine andere Frage ist die: Warum ist Galla Mater? Und warum ist Gallus karmatischer Bildstock? Warum? Eine Teilung des Vollkommenen im Paarigen vollzieht sich in einer Sphäre im Allbewußtsein, die uns verschlossen bleiben muß. Diese letzte Frage in der Kette bleibt immer im Schweben. Wir wissen es nicht. Unsere menschliche Logik scheitert von vornherein am Sinn menschlicher Existenz überhaupt. Aber auch unser Erfassungsvermögen kann euch nicht erklären dieses echte Schicksal im Eigensein einer Mangelseele. Dieses Problem ist engst verquickt mit einer anderen Frage: Warum überhaupt schmerzt sich Gott selbst mit den Schmerzen “im eigenen Hause?” Ein solcher Eigenschmerz ist göttlich auch im Leiden; aber das Gesetz eines pangöttlichen Möglichen des Nein-Sagens zu sich selbst und damit des Möglichen, sich selbst zu schmerzen und zu strafen, entzieht sich unserer Beurteilung. Wir müssen annehmen und Ja sagen. Denn in diesem Falle wäre eine Verneinung nichts anderes als ein neuer Stachel im Apfel und ein neuer Umweg auf der Pilgerfahrt nach Hause.
Du siehst, Ami, daß einzig eine Annahme in Demut auch uns ziemt und adelt. Und du siehst weiterhin, wie folgerichtig alle moralischen Gesetze eurer Existenz als planetarische Sternenbewohner nachgezeichnet sind in der freien Welt. Auch wir sind gezeichnet als Verantwortliche für unser Wollen und Wirken. Die Arbeit mit dir ist mehr als Verbindung suchen oder gar Heimweh nach eurer Welt. Was uns treibt, ist die Mitverantwortung aller Bewußtwesen und das Wissen um die Verwandtschaft des Kosmos überhaupt. Vergiß nie, daß Pala freiwillig zurückgekehrt ist in dieses Schwerleben. Was du als Muß empfindest in deinen täglichen Pflichten ist kein Zwang. Es ist der freie Wille im Verfolgen des Tanzes auf dem Seil und zugleich dein Geschenk an mich, Amaryllis (sagt Gallus).
Ich bin sehr glücklich, Amaryllis, als dein Lehrmeister und Geliebter mich bewähren zu dürfen. Mit jedem Schritt Palas vorwärts, Ama, erfüllt sich das Gesetz gegenseitiger Anziehung. Du bist es, die eigenes Entflammen will. Deine Keuschheit ruht im eigenen Spiegelbild.
Eine jede Zusammenführung zweier Flügel zum Engel löscht augenblicklich Radius in absolutes Primär-Glied oder in reinen Christus. Ein solches Ur-Teil stimmt ein in das Licht oder in die Melodie der Sterne. Kein Vergleich im Felde eurer Vorstellung ist fähig, nachzuempfinden oder zu vergleichen karmatische Liebe. Du hast dich beklagt, daß ein neuer Name kein Echo wachruft in Pala. Nicht einmal Brahma entlockt dir ein Lächeln. Ein Seil, Ami, ist wie eines Messers Schneide, und ein Sturz schmerzt mehr als der Schnitt in deinen Sohlen. Die Kühle wird immer mehr zunehmen müssen. Diese Nüchternheit und Sachlichkeit errichtet eine Mauer um ein Klosterfräulein. Denn dein Menschsein leidet nicht die Glut engelischer Liebe. Einzig der Prinz hebt diesen Schleier, und eine Nachtigall singt manchmal auf der Trauerweide.
Dieses Buch Gallas zehrt sehr an dir. Wir dürfen nicht riskieren, eine Kerze sich verzehren zu lassen. Puntila ist eisern und unbestechlich! Er lächelt dir zu, und Sirius ist Schlüsselbewahrer und zugleich Mundschenk und Weihpriester. Unter dieser Bedeckung, Amaryllis, wirst du jetzt schlafen gehen als eine Phaidra, die zerbrochen hat eine glühende Birne, um selbst zu leuchten.
Amjen
1/2 12 Uhr nachts.
Gallus