Über die Taufe

AMARYLLIS

Amaryllis braucht Aufschluß über die Taufe. Aradur selbst wird Aufschluß geben.

Mit einer Taufe verbindet ihr ein symbolisches Aufgenommenwerden in ein absolut zuverlässiges totales Primat. Ein getaufter Mensch bedeutet für euch zugleich ein Bevorzugtwerden aus anderen Geschöpfen - mehr noch ein Bevorzugtwerden vor Brüdern, mit denen euch doch ein Band einer Blutsverwandtschaft umschlingt. Ein Dogma bedeutet ein Aufgenommensein in eine außerirdische Bruderschaft mit mir. Mit dieser Besiegelung möchtet ihr ausdrücken ein Ausgewähltsein mit einer Garantie für ein bevorzugtes gottgefälliges Primat. Ein solches Primat verstößt gegen meinen Willen. Mit solchen bedauerlichen Irrtümern behaftet ihr ein bedeutendes Geschenk aus meiner Hand. Allerdings hat eine Taufe als Ausdruck der Verbundenheit eines Bruders aus meinem Licht mit seinem Quell ein bedeutendes Maß an geistiger Entwickelung. Allein mit einer bildlichen Handlung verwechselt ihr das Bild mit einem Akt des bluterfüllten eigenen Bemühens.

Mit einer Taufe übernehme ich nicht eine Verpflichtung, außer der einzigen, ein jedes Blatt, eine jede Blüte, die aus meinem Stamm drängt, als anvertrautes Pfand zu durchgeistigen. Mit eurer Taufe hat mein Baum auch nicht mehr Triebkraft aufgenommen. Mein Baum braucht andere Nahrung. Die Früchte schmecken auch nicht aromatischer. Allein euer eigenes Blut aus eurem Herzen ist die Nahrung für mich.

Amen

Allerdings bedeuten diese Worte keineswegs eine Mißachtung einer solchen materiellen Handlung wie die der Taufe. Alles Materielle birgt einen Keim geistiger Substanz. Eine Taufe hat aber nur echte Bedeutung als Besiegelung und Bestätigung einer Bindung aller Blätter an ihren Vaterstamm mit aller Verpflichtung einer Nährquelle allen Dürstenden gegenüber, wenn auch die Blätter selbst arbeiten, um beizutragen zu ihrer Sättigung. Das ist die Gefahr einer erstarrten Symbolik, daß die Handlung für das Symbol gesetzt wird. Eine Taufe ohne bewußte Bejahung eines Wesens seinem Taufvater gegenüber birgt eine Lüge in sich. Eine Taufe aus Tradition ist mir nicht angenehm. Ich brauche euer glühendes Leben als Pfand.

Amen

Ich glaube, es ist besser, wir beenden jetzt unsere Stunde. Ich danke dir, Liebling, ich danke dir sehr.

Amen

Nach obigem Diktat, zu dem ich eine volle Stunde brauchte, war ich total erschöpft. Anscheinend fordert die „neue Methode“ doch recht viel „Blut aus meinem anderen Leib“. Man darf aber nicht außer Acht lassen, daß halbtäglich warmer Föhn mit Schnee und Kältegraden, Sonne und Regen sich ablösen.

Schlief wie gelähmt und tot. Einmal trat ich in den anderen Bewußtseinszustand, da sprach ein Mann ein wunderbares Gedicht, so voll Poesie, so voll zarter, ätherischer Bilder, von so zauberhafter Innigkeit , daß ich trotz meines Todesschlafes mir nichts inniger wünschte, als aufzuwachen und das Gedicht aufschreiben zu können. Aber sicher wäre es mir sofort entschwunden. Es hatte mehrere Strophen und lehnte sich in seiner Stimmung ganz eng an das wunderbare Gedicht des Juan de la Cruz an; mir gefiel es noch besser. Die ersten Strophen des Gedichtes begannen:

„Als wir flohen, in einem weißen Boot...“

Und zugleich sah ich den Geliebten im weißen Kleid und mich ins Boot steigen und in einen übersonnten, schilfbewachsenen See hinausfahren.